Kunst und Nachhaltigkeit

Kunst und Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein Begriff aus der Forstwirtschaft und meint ursprünglich das Prinzip, dass aus dem Wald nicht mehr Holz entnommen werden darf, als natürlicherweise nachwächst. Wir verstehen darunter heute generell ein Verhalten, dass alle verfügbaren und vom Menschen benötigten Ressourcen nur insoweit verbraucht werden dürfen, als sie gleichzeitig erneuerbar oder durch andere Verfahren ersetzbar sind. Warum aber ist das im Moment so ein großes Thema und inwieweit hat das etwas mit Kunst zu tun?

Ein Jahrhundert der Superlative
Verkürzt gesagt, ist das gesamte 20. Jh. für die Menschheit, insbesondere aber für uns in der westlichen Welt, ein Jahrhundert der Superlative gewesen. Entdeckungen und Erfindungen auf praktisch allen Lebensgebieten haben nicht nur die Ernährung zum ersten Mal für eine große Menge Menschen sichergestellt, sondern auch Wirtschafts- und Konsumgüter verfügbar gemacht, die die alten Standesunterschiede mehr und mehr auflösten. Durch das veränderte Bildungssystem konnte nun jeder Wissen erwerben und sozial aufsteigen. Diese neuen Möglichkeiten wurden durch die bekannten Narrative wie „vom Tellerwäscher zum Millionär“, befeuert und der wirtschaftliche und gesellschaftliche Erfolg wurde so für immer mehr Menschen zum sinnstiftenden Prinzip.
Ebenso wichtig für die großen Veränderungen waren Radio und Fernsehen und die Werbung, die es zum ersten Mal möglich machte, dass Produkte nicht nur regional, sondern international einer großen Käufermenge vorgestellt werden konnte.

Das Wirtschaftswunder
Das sogenannte Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg nährte die Illusion, dass von nun an alle im Schlaraffenland leben durften. Immer mehr Möglichkeiten wurden erfunden, die Natur auszubeuten. Die Menschen, die durch die zwei Weltkriege buchstäblich ausgehungert waren, verfielen einem wahren Konsumrausch. Firmen schossen wie Pilze aus dem Boden und wuchsen zu gigantischen Konzernen heran. Der Einfluss der Kirchen, die bisher als Repräsentanten eines strafenden Gottes die Begehrlichkeiten der Menschen im Zaum gehalten hatten, ging immer mehr zurück. Alles war möglich, alles ging. Und Wachstum war das Zauberwort. Immer mehr und immer mehr.

Die Wegwerfgesellschaft
Aber bereits Ende der 70er Jahre begannen erste Stimmen vor der Wegwerfgesellschaft zu warnen und fragten zaghaft, was passieren würde, wenn wir so weitermachen. Aber sie wurden ausgelacht, denn die Ressourcen der Erde schienen unendlich zu sein.
Die Kunst, insbesondere in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt sowohl diese menschliche Hybris als auch die Wegwerfgesellschaft 1 zu 1 wider. Kunst zeichnete sich nun nicht mehr durch ein sorgfältig ausgeführtes Handwerk aus, sondern durch immer neue Techniken, neue Ideen, neues Material. Schnell musste es gehen, Aufmerksamkeit musste man erregen, medial präsent sein. Ganz nach oben musste man kommen, Weltruhm war der Anspruch. Die Dimension der Veranstaltungen, aber auch der Selbstverherrlichung wuchs analog zu den Wirtschaftskonzernen.
Wenn wir uns also heute fragen, was bedeutet Nachhaltigkeit in der Kunst, dann geht es nicht nur darum, zu überlegen, wo man vielleicht ressourcenschonend arbeiten kann, sondern auch darum, die Idee vom grenzenlosen Wachstum und dem Streben nach unermesslichem materiellem Reichtum als sinnstiftende Perspektive zu hinterfragen und eventuell auch ganz anders und ganz zu denken.

Die Situation verschärft sich im 21. Jahrhundert
Die Probleme haben sich im 21. Jahrhundert durch das Internet noch vervielfacht. Der mediale Druck, dem wir ausgesetzt, der heute praktisch alle Lebensgebiete durchdringt, macht es unendlich schwer, sich von den Erwartungen und Meinungen anderer abzugrenzen. Aber genau das ist es, was man tun muss. Und Kunst ist dafür nicht nur ein wunderbares, sondern auch ein altbewährtes Mittel. Denn es waren immer die Künstler, die die Ideen, die in der Gesellschaft auftauchten, in Bilder, Theater, Lieder, Tänze, Romane gefasst haben.

Ich mache euch hier nur Vorschläge, die ich für mich selber ausprobiert habe und die ich für sinnvoll halte. Wenn Ihr selber noch gute Ideen habt, umso besser, denn wenn jeder ein Sandkorn dazulegt, dann wird das mit der Zeit auch ein großer Sandhaufen.

Vorschlag 1: Der sinnstiftende Rahmen: Die Erdcharta

Ich bin mit dem Thema Nachhaltigkeit zum ersten Mal in meiner Tätigkeit als Fachbereichsleiterin in der VHS Amberg-Sulzbach in Berührung gekommen. Uns wurde eine Kooperation angeboten, bei der die sogenannte Erdcharta bekannt gemacht werden sollte. Ich hab’ mir den Text und die Entstehungsgeschichte dann durchgelesen und war begeistert.
Sie geht zurück auf eine 1987 erarbeitete Empfehlung der „UN Kommission für Nachhaltige Entwicklung“ unter der Leitung von Gro Brundtland. Ursprünglich sollte die Erdcharta dann 1992 auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der UN beschlossen werden, um einen weltweit verbindlichen Rahmen für die Agenda 21 zu geben. Aber man konnte sich über die Inhalte nicht einigen und so passierte nichts.
Danach starteten das Grüne Kreuz unter dem Vorsitz von Michail Gorbatchov und Maurice Strong, der Generalsekretär der Umweltkonferenz, eine Initiative, die von verschiedenen NGOs aufgegriffen und der niederländischen Regierung finanziell unterstützt wurde. Mehrere Jahre lang arbeitete man bei den sogenannten Assisi Konferenzen einen Text aus, der schließlich im Jahr 2000 in Den Haag im Beisein der damaligen Königin Beatrix verkündet wurde.

Grundlage der Erdcharta sind 4 Hauptprinzipien mit jeweils 4 Artikeln.

Achtung vor dem Leben und Sorge für die Gemeinschaft des Lebens
Ökologische Ganzheit
Soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit
Demokratie, Gewaltfreiheit und Frieden

Wie kann man die Erdcharta konkret nutzen? Ich habe die Erdcharta 2008 als Leitbild für den Wunderhof unterschrieben und seither vielfältig künstlerisch umgesetzt.
Z.B. habe ich 2010 zusammen mit 7 anderen Frauen ein Projekt gemacht, das man ohne weiteres auf künstlerische Arbeit betragen kann. Wir haben im Landkreis Amberg-Sulzbach 26 Orte gefunden, die einen oder mehrere Artikel der Erdcharta bereits beispielhaft umsetzen. Diesen Erdcharta-Weg haben wir in einem eigens dafür entwickelten Magazin dargestellt.

Ihr könnt euch als Künstler ebenfalls einen oder mehrere Artikel heraussuchen und dann künstlerisch dazu arbeiten. z.B. zum

Art. 4: Die Fülle und Schönheit der Erde für heutige und künftige Generationen sichern.

Zum Thema Fülle und Schönheit gibt es an jedem Ort unzählige Motive, vom kleinsten Käfer, über die unscheinbarste Pflanze, bis zu hin den herrlichsten Blumen, kleine Gassen oder grandiose Aussichten. In dem Moment, wo man das, was man zeigt, nicht nur um des eigenen Nutzen willens zeigt, sondern weil man anderen Menschen damit eine Freude machen möchte, sie an all das Schöne erinnern möchte, wird das Produkt nicht nur zur Handelsware (das darf natürlich auch sein, schließlich wollen wir von unserer Kunst leben), sondern es dient einem gemeinsamen Ziel.

Vorschlag 2: Material sparen

Mein zweiter Vorschlag geht natürlich ohne weiteres mit dem Art. 7 der Erdcharta zusammen:

Produktion, Konsum und Reproduktion so gestalten, dass sie die Erneuerungskräfte der Erde, die Menschenrechte und das Gemeinwohl sichern.

Für Anfänger, aber auch für Profis ist es nicht leicht zu unterscheiden, welche Anschaffungen sinnvoll sind und welche man tätigt, weil man nicht als dummer Amateur dastehen will. Oder sich nicht vor den Kollegen blamieren will.
Also sollte man sich fragen: Wie viele Farben brauche ich wirklich und welches kaufe ich nur, weil andere sagen, dass ich das brauche? Kann ich mich vielleicht mit anderen zusammentun und Farben gemeinsam nutzen? Oder kann ich mit anderen tauschen?
Zum Beispiel kann man Farbübungen ohne weiteres nur mit den Deckfarben aus der Schule machen, denn Farben mischen funktioniert im Prinzip immer gleich.
Auf welche Malgründe kann ich ohne Qualitätsverlust verzichten? Kann ich zum Üben und Ausprobieren Material recyceln?
Statt teurer Leinwände kann man Malgründe aus Karton oder Pappe selber machen. Ich verwende zum Beispiel sehr gerne das Packpapier, das mit der Sendung meines Kunstbedarfhändlers kommt als Zeichenpapier. Das sieht mit Kohle, aber auch mit Acrylfarben nicht nur gut aus, sondern spart jede Menge Material.
Das Gleiche gilt natürlich für Pinsel oder anderes Malgerät. Meistens genügt die Hälfte von dem, was man kauft. Und wenn man weniger hat, ist man viel mehr gezwungen, sorgsam damit umzugehen.
Selbst wenn man solche Arbeiten dann ausstellt, kann man das ohne weiteres sogar als Verkaufsargument nutzen. Ich hatte da letztes Jahr bei einer großen Ausstellung so einen Aha-Moment. So viele von diesen Arbeiten waren ganz offensichtlich schnell für diesen einen Tag gemalt worden, um die Wände irgendwie voll zu bekommen. Und ich dachte, wie interessant wäre das Ganze, wenn alle diese Bilder auf recyceltem Material gemacht worden wären. Wenn man einen kreativen Wettbewerb daraus machen würde. Z.B. kann man auch auf alte Versandkartons wunderbar mit Acrylfarbe malen, wie viele Leinwände könnte man so sparen und anderen Menschen ermutigen, ebenfalls Material zu sparen.

Denn das ist ganz wichtig: Menschen lernen durch Vorbild. Und die meisten trauen sich erst, etwas anders zu machen, wenn sie sehen, dass jemand es vormacht.

Vorschlag 3: Recycling und Upcycling

Das ist nun etwas, was ich selber ganz besonders liebe, und wo ich mir durchaus vorstellen könnte, dass man daraus sogar einen Beruf machen könnte. „Aus alt mach neu“ – Ich gestalte Ihre alten Sachen passend zu ihren neuen.

Recycling
Für mich sind Sperrmüllcontainer etwas, wo mir das Herz blutet, weil so viele Dinge weggeworfen werden, die man noch wunderbar verwenden könnte. Ich verstehe sehr gut, dass man seine Umgebung verändern möchte. Aber dazu muss man nicht unbedingt das Alte wegwerfen. Vor allem Möbel kann man ganz leicht durch einen neuen Anstrich oder eine fantasievolle Gestaltung noch viele Jahre weiterverwenden. Meine Terrassenmöbel zum Beispiel sind unsere allerersten IKEA Stühle und haben uns viele Jahre gedient, als die Kinder klein waren. Mit einem neuen Anstrich stehen sie jetzt schon seit einigen Jahren auf der Terrasse und ich freue mich jeden Tag daran, dass ich sie wiederverwenden konnte.

Upcycling
Aber auch Upcycling, also das Verbessern des anfänglichen Zustandes, lohnt sich. So habe ich meine Cafétische nicht nur bemalt, sondern auch mit Securit Glasplatten versiegelt, die viele Jahre halten und mir viel Tischwäsche erspart haben. Ich könnte sogar die Glasplatte abnehmen und die Tische neu bemalen, dann würde der Tisch auch mit einem neuen Look wieder viele Jahre halten. Auch unser Gartenpool ist mit ein bisschen Farbe ein außergewöhnliches Stück geworden und das könnte man natürlich mit ganz vielen Gebrauchsgegenständen machen.
T-Shirts, die schon ein bisschen abgetragen sind, oder Flecken haben, bemale ich mit einem Muster, die die Gebrauchsspuren verdecken.

Vorschlag 4: Zurück zum Handwerk und der äußeren Realität

Die sogenannte moderne Kunst ist im Vergleich zu traditioneller Malerei im Endeffekt wie moderne Landwirtschaft im Vergleich zum Bioanbau. Genau wie in der modernen Landwirtschaft Futtermittel, Kunstdünger, Pestizide und Maschinen zu immer besseren Erträgen geführt haben, ist in der Kunst durch die abstrakte Kunst der „Ertrag“ in der Kunst immer mehr geworden. Für diese Art der Kunst braucht es keine langwierige handwerkliche Ausbildung und großformatige abstrakte Gemälde brauchen nicht Jahre, sondern oft Tage oder sogar nur Stunden bis zur Fertigstellung. Die Verfügbarkeit der Materialien für jedermann ermöglicht es zusätzlich auch wesentlich mehr Menschen, diese Art Kunst herzustellen.

Junk-Food und Abstrakte Kunst
In beiden Fällen erfüllen die Produkte zwar ihren Zweck, aber die Frage ist für mich, tun sie uns Menschen gut? In beiden Fällen führen sie nämlich für meine Begriffe zu einer immer stärkeren Fixierung auf die innere Welt und einem Gefühl von Gleichgültigkeit für die äußere Realität.
Im Bioanbau muss der Mensch sich wieder auf die Prozesse in der Natur einlassen, das Zusammenspiel von Pflanzen und Tieren, das Wetter, Tag und Nacht Rhythmen, und man muss auch mit wesentlich weniger zufrieden sein.
In der traditionellen Malerei, die die innere Welt auch die äußere Realität abbildet, ist das ähnlich. Der Mensch muss hier nicht nur das Handwerk erlernen, Gesetzmäßigkeiten seines Materials beherrschen können, sondern auch beobachten, was draußen passiert, es verstehen, um es für sich selber und andere in eine verständliche Bildsprache übersetzen zu können.
So lernt man die äußere und die innere Realität in Balance zu halten. Und das ist nicht nur in der Kunst, sondern generell im Leben eine der wichtigsten Ressourcen für die körperliche und seelische Gesundheit.

5. Vorschlag: Zurück in die Region – oder die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Auch hier möchte ich einen Vergleich zu einem anderen Lebensgebiet heranziehen: Regionalprodukte. Wir alle wissen, dass die nachhaltigste Art zu kaufen, die ist, Produkte aus unserer nächsten Umgebung zu kaufen. Online zu kaufen ist zwar super bequem, und aufgrund der immer besseren Logistik auch unglaublich schnell. Aber der Preis dafür ist in mehrfacher Hinsicht hoch. Zum einen werden die Produkte, die wir kaufen, aus praktisch allen Ecken der Erde geliefert, zum anderen erzeugt der Druck, die Schnelligkeit aufrechtzuerhalten zu müssen, unglaublichen Stress bei allen Beteiligten der Lieferketten. Auch hier sind wir alle in den letzten Jahren in einen Sog geraten, aus dem zu sich zu befreien unglaublich schwer sein wird. Denn um wirtschaftlich zu überleben, muss man letztendlich mitmachen. Aber, und da sind auch wieder wir Künstler gefragt, man kann auch ganz anders denken. Denn hier bietet sich auch für uns wieder eine große Chance: Wenn wir vor Ort den Menschen mit unserer Kunst etwas bieten, sie mit unserer Arbeit inspirieren, dann ist das letztendlich für uns auch ein lohnendes Geschäftsmodell. Es gibt vieles, was man auf diese Art anstoßen kann, auch und ganz besonders die Vorteile der Nachhaltigkeit für andere im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar zu machen.

Regionale Orte schaffen
Möglichkeiten dafür wären zum Beispiel Kunstpfade zu schaffen, wie unser neues Projekt, der Walderlebnispfad Birgland. Man könnte bewegliche Kunstpavillons bespielen und so an viel besuchten Orten Besuchern die Möglichkeit geben, beim Malen oder Zeichnen zuzuschauen, um so mit ihnen ins Gespräch kommen, man kann besonders schützenswerte oder schöne Orte in Bildern zeigen, mit anderen lokalen Akteuren wie etwa Feuerwehr, Technischer Hilfsdienst, Gartenbauverein zusammenarbeiten. Die Liste ist lang und auch hier kann euch der Text der Erdcharta eine Fülle von Ideen geben.

Und mit dem Schlusstext der Erdcharta möchte ich auch enden:

Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird
als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte,
als eine Zeit, in der nachhaltige Entwicklung entschlossen auf den Weg gebracht wurde,
als eine Zeit, in der das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam und
als eine Zeit der freudigen Feier des Lebens.

Walderlebnispfad Birgland 

Der Wunderhof