28 Sep Bildbesprechung 3 #Neubeginn
Dieses Bild entstand im Jahr 2016, fertiggestellt, so wie es heute ist, habe ich es aber erst 2018. Es gibt Bilder, bei denen kommt man an einer Stelle nicht weiter. Weil einem die Erfahrung fehlt. Man mag denken, es fehle an der handwerklichen Erfahrung, aber eigentlich ist es die seelische Erfahrung dahinter, die vielleicht schon gedacht, aber noch nicht gemacht ist. Denn erst in dem Moment, wo sie abrufbar ist, kann man sie auch darstellen. Die Perfektion des Handwerks ist dabei sicherlich hilfreich, doch habe ich gerade in meinen Anfängerkursen ganz oft erlebt, dass selbst ungelenke Versuche schon durchscheinen lassen, was da ist. Das Erleben, das dahintersteckt, ist das, was zählt.
So ging es mir bei diesem Bild. Es stellt den Weg zum Hainsberg dar, dem „Hosnbagl“, wie wir im Dorf sagen, wo der Weg durch den Buchenwald an einer Stelle zwischen zwei hoch aufragenden Felsen verläuft. Ich ging ihn im Herbst an einem herrlichen Nachmittag entlang, und die Blätter, die gelb geworden waren, gaben der ganzen Szenerie ebendiese Anmutung eines goldenen Tores, eines Neubeginns, den ich auch in meinem Leben so verspürte.
2014 hatte ich angefangen, mit meinem ältesten Sohn Peter zusammenzuarbeiten. Ich hatte, weil seine Kollegin ausgefallen war, Texte für eine Homepage verfasst, die er für einen Kunden erstellte, und es hatte uns beiden so großen Spaß gemacht, dass wir beschlossen, künftig weiter in diese Richtung zu gehen.
Damals hing ich aber noch sehr in meinem alten Frauenbild fest, wo ich von mir selber erwartete, dass ich für wenig Geld arbeiten müsste, für meine Arbeit in der Familie nichts bekäme. Mein Sohn Peter zwang mich mehr oder minder dazu, hier völlig umzudenken. Für ihn war ich eine geschätzte Geschäftspartnerin und für die Arbeit, die ich leistete, musste ich nun den angemessenen Lohn verlangen. Professionelle Angebote zu schreiben, Aufträge zu bekommen und abzuwickeln, war für mich absolutes Neuland. Ich erlebte damit aber zum ersten Mal im Leben, dass ich gerecht behandelt wurde.
Zwei Jahre später hatten wir einen großen Auftrag gemeinsam bewältigt, hatten beide gut verdient daran und ich hatte die Sicherheit erworben, mit der ich mich nun meiner neuen Aufgabe widmen konnte. Redaktionelle Texte zu schreiben und ein Verständnis über Marketingstrategien zu entwickeln, würde ich auch bei meiner pädagogischen und künstlerischen Arbeit in den nächsten Jahren gut brauchen können. Dazu kam, dass ab 2016 auch mein Sohn Stephan als Dritter im Bund mit uns arbeiten würde. Alles schien perfekt. Aber als ich dieses Gefühl dann umsetzen wollte, in ebendieses Bild, blieb ich irgendwann stecken. Die Farbwahl und der grobe Farbauftrag passten, die Bäume passten, nur die Stimmung war einfach nicht das, was ich hoffte, damit auszudrücken.
Erst 2018, als ich diesen Weg wieder entlangging, und ich die letzten beiden Jahre Revue passieren ließ, alles, was sich in der Zwischenzeit entwickelt hatte, entstand dieses Gefühl der tiefen Dankbarkeit, des „Ja, so ist es gut und so wird es auch bleiben“. Und als ich dann das Bild auf die Staffelei stellte, ging alles wie von selbst.
Das goldene Tor – Neubeginn, 80 x 100cm, Acryl auf Karton, 2016 – 2018