13 Sep Bildbesprechung 5 #Die blinden Porträts
Du bist vorlaut! Du bist ein Nagel zu meinem Sarg! Du bist altklug! Du bist egoistisch! Du bist hysterisch! Du schaffst das alleine! Du kannst das schon!
Sei still! Sei normal! Lass den anderen den Vortritt! Du musst nicht immer alles besser wissen! Sei hilfsbereit! Reiß dich zusammen! Eine gute Frau ist immer für andere da! Eine gute Frau verzichtet auf ihre eigenen Bedürfnisse!
Zuschreibungen und Einschärfungen der Erwachsenen in unserem Leben prägen uns von frühester Kindheit an und führen schließlich dazu, dass wir ein Selbstbild entwerfen, von dem wir glauben, dass es richtig ist.
Ich bin zu aufdringlich, Ich bin vorlaut, ich bin stark, ich bin zu egoistisch, ich bin immer schuld, Ich bin für alle verantwortlich, ich bin egoistisch, ich bin für alle verantwortlich, Ich bin zu auffällig.
Das sind sogenannte Skripts, so beschreiben wir uns innerlich selber und entwickeln Überlebensstrategien, von denen wir glauben, dass sie uns helfen, einen Platz in der Gemeinschaft zu finden.
Wenn andere unglücklich sind, ist das immer meine Schuld.
Damit sie nicht unglücklich sind, muss ich ihnen immer den Vortritt lassen.
Für mich darf ich nichts verlangen, weil es ihnen sonst schlecht geht.
Ich muss immer alles alleine schaffen, weil mir keiner helfen wird.
Mit diesen Dingen bin ich zum ersten Mal in Kontakt gekommen, als ich von 1998 bis 2000 eine Ausbildung in Kunsttherapie gemacht habe. Es hat mein Weltbild grundlegend erschüttert und ich habe nicht nur die kommenden Jahre damit verbracht, meine eigene Biografie zu erforschen, sondern auch damit, zu überprüfen, ob wir Menschen wirklich so fremdgesteuert sind.
Porträts hatten mich schon vorher als Künstlerin interessiert, weil ich Menschen mag und mich die ungeheure Vielfalt fasziniert. Aber mit dem neuen psychologischen Wissen, das ich mir angeeignet hatte, wollte ich auch mehr über ihre Beweggründe, ihre Überlebensstrategien wissen, verstehen, warum sie sind, wie sie sind. Vor allem natürlich andere Frauen, weil sie mir auch viel über mich selber sagen konnten. Aber das, was mich interessiert hat, konnte ich durch meine bisherige impressionistische Malweise nicht ausdrücken. Da kam mir wie immer der Zufall zuhilfe, denn eine unserer Ausbilderinnen machte uns mit dem blinden Konturenzeichnen bekannt. Dabei zeichnet man etwas, ohne hinzusehen und erhält so ein inneres Abbild, von dem, was man zeichnen möchte. Ich habe das mit Porträts probiert und fand den Ausdruck einfach umwerfend. Bei einigen dieser Bilder habe ich auch Dokumentationen des Entstehungsprozesses angefertigt, um mir über meine Wahrnehmungen bewusst zu werden, deshalb kann ich das heute auch noch nachvollziehen.
So ist dann eine ganze Reihe von Arbeiten entstanden, von denen ich bei diesem Kunstgespräch drei zeige und die Entstehungsgeschichte erzähle. Zu diesem Kunstgespräch gibt es ein YouTube Video, das Sie sich unter diesem link (Achtung externer link!) ansehen können.
Steffi
Die Tänzerin