26 Mai Bildbesprechung 1 #Abenteuer
„Der Garten-kommt-und-kommt-nicht“ oder: Abenteuer
Dieses Bild war die erste Illustration, die ich 1998 für das Buch „Die Abenteuer von Ahmed und Chanem“ schuf. Die Geschichte hatte ich 1997 nach einer Erzählung meines Freundes Ahmed Nasreddin geschrieben, der sie wiederum als Kind von seinem Onkel, einem kurdischen Märchenerzähler, gehört hatte. Ob die Geschichte tatsächlich in dieser Form kurdisches Kulturgut ist, oder ob der Onkel sie sich für die Kinder ausgedacht hat, wissen wir beide nicht. Und natürlich haben wir auch beide eigene Elemente hinzugefügt. Vieles von dem, was Ahmed aufschrieb, war dadurch, dass sich ihm als Kind nur die dramatischsten Szenen eingeprägt hatten, nicht logisch geordnet. So kamen von mir Szenen aus europäischen Geschichten hinzu, die sich wiederum mir als Kind eingeprägt hatten. Eine weitere Sicht brachte dann unser Sohn Stephan mit ein, der die Geschichte 20 Jahre später Korrektur las, und der ebenfalls eigene Kindheitserinnerungen mit einfließen ließ. So wurde das Buch letztendlich eine deutsch-kurdische Familiengeschichte, die vieles aus beiden Kulturen vermischt.
Für die Bilder hatte ich mir zwei durchgehende Elemente ausgedacht. Das eine waren die schwarzen Berge, die schon als ich Ahmeds Geschichte zum ersten Mal hörte, eindrucksvolle Bilder in meinem Kopf entstehen ließ. Das andere war ein leuchtend goldgelber Himmel, den ich mit der Hitze Kurdistans verband.
Als Medium wählte ich Acrylfarben, weil diese schnell trocknen und trotzdem die Leuchtkraft wie Ölfarben haben. Aber ich male genau wie in der Ölmalerei auf einen sehr dunklen Untergrund, sodass durch die immer wieder durchscheinenden dunklen Stellen ein großer Hell-Dunkel-Kontrast entsteht und die Farben umso mehr leuchten.
In der Geschichte muss Ahmed, um die Tochter des Paschas heiraten zu dürfen, eine Prüfung bestehen. Er soll aus der Garten-kommt-und-kommt nicht einen Apfel vom Baum des Lebens mitbringen. Doch Chanem warnt ihn davor zu gehen, denn der Garten ist bereits für viele Menschen zur Falle geworden. Die Mauer, die ihn umgibt, ist innen mit vielen verschiedenen Türen bestückt, aber nur eine führt wirklich hinaus. Bei allen anderen Türen wird der Mensch, der sie öffnet, um zwanzig Jahre älter. So sind bisher nur wenige Menschen dem Garten wieder entkommen, und diejenigen, die es geschafft haben, waren um viele Jahrzehnte gealtert. Deshalb nimmt sich Ahmed ganz fest vor, sich die Stelle, an der er den Garten durch die Tür von außen betritt, sehr gut zu merken. Aber die Pracht und die Fülle des Gartens sind so überwältigend, dass er seinen Vorsatz vergisst. So muss er, wie alle anderen, die Türen ausprobieren.
Der-Garten-kommt-und-komm-nicht trägt den Meta-Titel „Abenteuer“, weil für mich diese Mauer mit den vielen Türen ein starkes Symbol für das große Lebensabenteuer darstellt. Es zeigt uns viele Türen, aber nie wissen wir, was dahinter auf uns wartet. Manchmal ist es ein Abgrund, der sich auftut, manchmal ist es der Weg in die Freiheit. Aber immer können wir erst wissen, was auf uns zukommt, wenn wir die Tür geöffnet haben. Nicht selten bleiben deshalb Menschen lieber eingesperrt in der vermeintlichen Sicherheit ihres inneren Gartens, die sie sich durch Regeln und Vorschriften geschaffen haben.