Ein Besuch in Waldsassen

An Waldsassen habe ich als Kind eine lebhafte Erinnerung von Erzählungen in meiner Familie. Zum einen, weil mein Opa, ein Hauer im Bergbau, dort einige Jahre arbeitete. Und sich dort, obwohl er eine Frau und zwei fast erwachsene Söhne hatte, eine Geliebte zulegte, die er unbedingt heiraten wollte. Meine Oma, eine streng gläubige Katholikin, hat aber standhaft daran geglaubt, dass ihr Mann zu ihr zurückkommen würde. Was er dann auch tat. Die Dramen, die sich rund um diese Zeit in unserer Familie abspielten, kann man heute vermutlich gar nicht mehr verstehen. Damals aber waren Scheidungen ein gesellschaftliches Tabuthema und entsprechend hochgingen da die emotionalen und finanziellen Wogen.
Zum anderen, weil mein Opa, als er wieder zuhause lebte, immer mit leuchtenden Augen von der Schönheit Waldsassens erzählte. Für mich als Kind hörte „Waldsassen“ sich immer an wie „Gold und Juwelen“.

Die zweite Station auf den Spuren meiner Kindheit durch die Oberpfalz führte uns deshalb nach Waldsassen. Es befindet sich im sogenannten „Stiftland“, wie ursprünglich das Gebiet rund um das Kloster Waldsassen bezeichnet wurde, welches Besitztümer und Ländereien rund um Waldsassen, Tirschenreuth und Bärnau hatte. Heute erstreckt sich das Stiftland von Plößberg im Südwesten, über Falkenberg an der Grenze zum Steinwald nach Waldsassen im Norden und Neualbenreuth im Westen.

Waldsassen entstand im 12. Jh. aus einer Klostergründung, die Markgraf Diepold III von Vohburg-Cham initiierte. Es entwickelte sich in den nachfolgenden Jahrhunderten zu einem der bedeutendsten Zisterzienserklöster Bayerns. Ab 1214 war es Reichsabtei, kam im Spätmittelalter unter pfälzische Herrschaft, und wurde 1571 wurde im Zuge der Reformation aufgehoben. Die Klostergebäude waren über Jahrhunderte die einzige Ansiedlung bis schließlich im 17. Jahrhundert auch außerhalb des Klosters die ersten Häuserzeilen entstanden. Infolge der Rekatholisierung kamen 1661 erneut Zisterzienser nach Waldsassen. 1690 wurde das Kloster wieder zur Abtei erhoben, aber bereits 100 Jahre später mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 erneut säkularisiert. 1865 wurde die Eisenbahnlinie Wiesau-Eger eröffnet. Für Waldsassen bedeutete dies einen industriellen Aufschwung. 1896 erhielt der Markt Waldsassen die Stadtrechte. Die Einwohnerzahl war, nicht zuletzt durch die Gründung einer Porzellanfabrik, eines Ziegelwerks und einer Glashütte, auf fast 4000 angewachsen. Im 20. Jh. fanden nach 1945, viele Vertriebene in Waldsassen eine neue Heimat. Die Bevölkerungszahl stieg dadurch sprunghaft von 5300 auf 7800.

Die bedeutendste Sehenswürdigkeit in Waldsassen ist natürlich die Basilika. Und sie stand bei unserem Besuch meiner kindlichen Fantasie wirklich in nichts nach. Sie wurde wie alle Kirchen über viele Jahre an – und ausgebaut, renoviert und saniert. Ihr aktuelles Aussehen erhielt die Außenfassade aufgrund historischer Farbfunde 1986. Der Innenraum wurde von 2013 bis 2017 umfassend renoviert und ebenfalls an historische Farbfunde angepasst. Für eine Besichtigung sollt man sich unbedingt Zeit nehmen. So vieles gibt es hier zu sehen, dass man gar nicht weiß, wo man beginnen soll. Der Führer von Ludger Drost, der in der Basilika aufliegt, ist da sehr hilfreich. Er beschreibt die Baugeschichte und das Bildprogramm der verschiedenen Kunstschätze ausführlich und übersichtlich.

Mir persönlich ist vor allem der rosafarbene Stuck, die wundervolle Orgel und die in filigrane Schmuckarbeit gefassten Skelette, die Heiligen Leiber, die irgendwie für einen Gruselfaktor sorgen, im Gedächtnis geblieben.

Die weltberühmte Stiftsbibliothek von Waldsassen war leider bei unserem Besuch geschlossen. Dafür schickte uns der Mesner, der uns übrigens auch eine kostenlose Führung durch die Basilika gab, noch zu der Dreifaltigkeitskirche Kappl, ca. 3 km von Waldsassen entfernt, und eines der Wahrzeichen des Stiftlandes.

Was uns übrigens nach dem Besuch in der Basilika sehr gefallen hat, war der Gasthof Prinzregent Luitpold, ein urgemütliches oberpfälzisches Gasthaus mit sehr guter regionaler Küche und sehr freundlichem Personal.

Basilika Waldsassen

Benediktaltar

Die gefassten Leiber von Märtyrern sind außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten

Hauptaltar und Chorgestühl

Kappl

Altarraum Kappl